Veranstaltung: | Landesdelegiertenversammlung am 7. & 8. Dezember 2024 in Idar-Oberstein |
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Tagesordnungspunkt: | 6 Anträge II |
Antragsteller*in: | Julian Joswig (KV Rhein-Hunsrück) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 02.11.2024, 16:12 |
A-5: Ja zu einem offenen Europa, nein zu stationären Grenzkontrollen!
Antragstext
Rheinland-Pfalz liegt im Herzen Europas und lebt die innereuropäische
Freundschaft und grenzübergreifende Zusammenarbeit wie kaum ein anderes
Bundesland. Die Menschen in den angrenzenden Regionen in Belgien, Frankreich und
Luxemburg sind mehr als nur Nachbar*innen, sie sind unsere Kolleg*innen,
Freund*innen und Partner*innen. Unser Land ist Teil der „Großregion“, in der
mehr als 11,5 Millionen Menschen leben, von denen mehr als 250.000 jeden Tag
über die Grenze pendeln – damit gilt die Region als der größte
grenzüberschreitende Pendlerraum Europas. Mit dem Partnerschaftsverband („4er-
Netzwerk“) hat Rheinland-Pfalz eine enge Zusammenarbeit mit den Regionen
Burgund-Franche-Comté, Oppeln und Mittelböhmen aufgebaut. Ebenfalls haben unsere
rheinland-pfälzischen Kommunen in den vergangenen Jahrzehnten vielzählige
Städtepartnerschaften innerhalb Europas auf den Weg gebracht. Und auch die
Unternehmen, (Hoch-)Schulen, Vereine und Kultureinrichtungen im Land agieren oft
grenzübergreifend. Kurzum: Europa liegt uns in Rheinland-Pfalz am Herzen.
Als Reaktion auf den schrecklichen Terroranschlag in Solingen hat
Bundesinnenministerin Nancy Faeser vor wenigen Wochen entlang der deutschen
Binnengrenzen stationäre Grenzkontrollen veranlasst. Sofort kamen zusätzliche
Forderungen über Zurückweisungen an der Grenze hinzu, ein klarer Verstoß gegen
EU-Recht ist damit bittere Realität geworden. Bundeskanzler Olaf Scholz
bezeichnete die Grenzkontrollen gar als „kleinen Baustein innerhalb einer großen
Mauer“. Zwischenzeitlich haben sich andere Regierungen dem deutschen Vorbild
angeschlossen. So haben Frankreich und die Niederlande ebenfalls Grenzkontrollen
angekündigt. Wir GRÜNE Rheinland-Pfalz sind schockiert über diese Entwicklungen,
die menschenfeindliche Diskursverschiebung und den durch Populismus und
Nationalismus getriebenen Überbietungswettbewerb. Ein vereintes Europa ist keine
idealistische Vision, sondern eine wesentliche Grundbedingung für ein
gemeinsames Leben in Frieden und Freiheit.
Die Freiheit des Schengen-Raums ist eine bahnbrechende und unverzichtbare
Errungenschaft des europäischen Einigungsprozesses und der Menschen, die sich in
den letzten Jahrzehnten für Europas Zusammenhalt eingesetzt haben. Die EU-
Kommission, diverse EU-Mitgliedsstaaten sowie europäische Rechtsexpert*innen und
die Zivilgesellschaft befürchten einen dauerhaften Schaden für Europas
Freizügigkeit und damit für den transnationalen Zusammenhalt und die
Zusammenarbeit. Solche Errungenschaften, die den europäischen Zusammenhalt
stärken, die Lebensqualität von uns Europäer*innen verbessert haben und den
Grundstein für ein vereintes Europa im friedlichen Zusammenleben bilden, dürfen
nicht aufs Spiel gesetzt werden.
Stationäre Grenzkontrollen beeinträchtigen das Vertrauen zwischen Ländern und
erschweren den Alltag der Menschen, die jeden Tag über die Grenzen hinweg zu
ihrem Arbeits-, Ausbildungs- oder Studienort pendeln, Familie und Freund*innen
besuchen oder Geschäfte machen. Sie schaden den lokalen Volkswirtschaften und
erzeugen Unplanbarkeit für Reisende. Selbst die Gewerkschaft der Polizei (GdP)
hat sich gegen stationäre Grenzkontrollen ausgesprochen und nach der Einführung
in einer ersten Bilanz festgestellt, dass die Kontrollen kaum die gewünschte
Wirkung zeigen und der personelle Aufwand letztlich nicht dem Nutzen entspricht.
Als GRÜNE Rheinland-Pfalz lehnen wir dauerhafte, stationäre Grenzkontrollen
innerhalb des Schengenraums ab. Sie schränken nicht nur die Bewegungsfreiheit
ein, sondern beeinträchtigen auch das alltägliche Miteinander in den
Grenzregionen. Das Infragestellen des Schengenraums stellt letztendlich die
europäische Einigung im Grundsatz in Frage. Wir stellen uns gegen
antieuropäische, nationalistische Symbolpolitik und teilen die Sorgen von
Unternehmen über wirtschaftliche Einbußen sowie die skeptische Haltung der
Polizeigewerkschaft bezüglich der Wirksamkeit dieser Maßnahme. Anstatt
vielzählige Polizeikräfte an einzelnen Grenzposten zu binden, plädieren wir für
anlassbezogene und temporäre Einsätze. Die Polizei wird vor allem dort benötigt,
wo akute Gefahren vor Ort bewältigt werden müssen.
Nachhaltige Lösungen im Kampf gegen Kriminalität und Terrorismus lassen sich nur
durch eine verstärkte europäische Zusammenarbeit erreichen, nicht durch
nationalstaatliche Alleingänge mit symbolpolitischen Maßnahmen. Wir fordern
wirksame und rechtssichere Maßnahmen, die sicherstellen, dass europäisches Recht
eingehalten wird. Wir dürfen niemals vergessen, dass Europa in seiner Vielfalt
stark ist. Statt uns voneinander abzuschotten, sollten wir gemeinsam nach
Lösungen suchen. Ein vereintes Europa ist stärker, sicherer und resilienter –
lasst uns alles tun, um diese Einheit zu bewahren.
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